Wie kommt Lärm in die Immobilienbewertung?
Würden Sie gerne neben einer Hauptverkehrsstraße wohnen oder neben einem Flughafen? Wenn Sie die Wahl haben, wahrscheinlich nicht? Lärm sorgt also dafür, dass Menschen Immobilienobjekte in gewissen Lagen meiden. In der Immobilienbewertung ist es wichtig, welche Form von Lärm, ab welcher Höhe zu welchen Abschlägen führt. In seiner negativen Wirkung auf Menschen ist Lärm daher Untersuchungsgegenstand der Psychologie und der Medizin bzw. im dazwischen befindlichen Schnittbereich. Genau diese Bereiche sind auch in Bezug auf Immobilienwerte relevant, da zu erwarten ist, dass die ablehnende Haltung der Menschen gegen Lärm zumindest zu Preisabschlägen, wenn nicht gar zur Ablehnung von Immobilienobjekten führen wird. Wird der Begriff Lärm als Wahrnehmung „unerwünschter Schallereignisse“ aufgefasst, so wird deutlich, dass neben physikalischen Eigenschaften sowie objektivierbaren Untersuchungskriterien, z.B. Gesundheitsschäden, auch subjektive Wahrnehmungsunterschiede eine Rolle spielen. Das Steinbeis-Transfer-Institut Center for Real Estate Studies (CRES) in Freiburg beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Themen der Immobilienwirtschaft.
Das CRES (Center for Real Estate Studies) in Freiburg ist Anbieter von berufsbegleitenden und dualen Studiengängen in der Immobilienwirtschaft und untersuchte unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Marco Wölfle die Wirkung von Lärm auf Werte von Wohnimmobilien in Abgrenzung des stark wahrnehmungsabhängigen Begriffs „Lärm“, aus welcher dann die Folgen auf Menschen und ein Übertragungsmechanismus auf Immobilienwerte dargestellt werden konnte. Im Kern der Arbeit standen dabei zwei unterschiedliche Herangehensweisen zur Bestimmung eventueller Abschläge: Die Betrachtung von Lärm in der gängigen Bewertungsliteratur und die Modellierung von Lärmwirkungen mittels hedonischer Regressionsgleichungen.
Lärm als Summe negativer Schallereignisse wird von den betroffenen Menschen als Störfaktor angesehen. Aufgrund seiner Mehrdimensionalität und Nichtlinearität wird Lärm bewusst, un- oder unterbewusst von Betroffenen wahrgenommen und kann sich als Verlust an Lebensqualität äußern. Da Lärm ein lageabhängiges Phänomen ist, wirkt es sich nicht nur auf die Verhaltensweisen der betroffenen Menschen, sondern auch wertmindernd auf Liegenschaften in lärmbelasteten Gebieten aus, da diese immobil, also ortsgebunden, sind. Höhere Bereitschaft zum Verkauf oder zur Mietkündigung führt zu einer Erhöhung der Angebotsmenge am regionalen Immobilienmarkt, wodurch auch die Preise der angebotenen Liegenschaften sinken können. Diese finden meist wegen der lärmbedingt verringerten Nachfrage jedoch schwerer einen Käufer bzw. Mieter. Dauerhafte Ertragswertminderungen können zu einer niedrigeren Rendite und zu einem geringeren Verkehrswert der Immobilie führen.
Um zu erforschen, welche Arten von Lärm für dessen Beurteilung zu nutzen sind, gilt es, vier physikalische Eigenschaften festzulegen: Der auch als Lautstärke wahrgenommene Schalldruckpegel lässt sich physikalisch in Form des Schalldrucks messen. Daneben ist die Höhe der Töne relevant, da Menschen hohe Töne in der Regel unangenehmer wahrnehmen als tiefe Töne. Die Anzahl einzelner Töne, die innerhalb eines Geräusches wahrgenommen werden, wird als Tonhaltigkeit bezeichnet. Dabei werden besonders tonhaltige Geräusche als störender empfunden als wenig tonhaltige Geräusche. Einzeltöne, die mit starken Pegeländerungen einher gehen, werden in der Regel als störender empfunden als Einzeltöne mit konstanter oder gleichmäßiger Lautstärke. Die Messung dieses Sachverhalts wird als Impulshaltigkeit bezeichnet. Die benannten physikalischen Eigenschaften des Lärms sind insbesondere relevant, um aus juristischer Perspektive die Höhe von Entschädigungszahlungen durch Lärmimmissionen zu bemessen. Grundlage hierfür stellen so genannte Beurteilungspegel dar. Abhängig von der Ausprägung der physikalischen Messgrößen erfolgen in der objektivierten Größe Beurteilungspegel Zu- bzw. Abschläge.
In der gängigen Bewertungsliteratur wird besonders hervorgehoben, dass Lärm nur insofern wertrelevant sein kann, als dass neben seinen physikalischen Eigenschaften auch eine negative Wirkung auf den Nutzer eines Immobilienobjekts zu erwarten ist. Die Beurteilung von Immissionen ist daher „nicht nur eine Frage des Ausmaßes solcher Immissionen, sondern vielfach auch eine Frage der Lage und der Nutzung unter Berücksichtigung dessen, was nach Lage und Nutzung ortsüblich ist.“[1] Des Weiteren muss Lärm im Rahmen der einschlägigen Literatur und Rechtsnormen nach folgenden Lärmquellen gegliedert werden: Verkehrslärm (Straßen und Schienen); Gewerbelärm; Fluglärm; Spiel- und Sportlärm sowie Baulärm.
Um signifikante Wertänderungen von lärmbelasteten Liegenschaften zu verdeutlichen, wurden im Rahmen der Arbeit eine Wohnung, ein Zweifamilienhaus und ein Mehrfamilienhaus – allesamt fiktiver Natur ausgehend von den Gegebenheiten am Freiburger Immobilienmarkt – als Beispielobjekte gewählt, die aus der Sicht eines Investors (also nicht zur Selbstnutzung) betrachtet werden. Davon ausgehend, dass sich die zu bewertende Liegenschaft an einer „stark frequentierten“ Durchgangsstraße befindet, ist mit Minderungen der Miete (RoE) seitens der Mieter zu rechnen. Daher eignet sich die Verwendung der Formel für Rohertragsminderungen nach Stege:[2]
Im Vergleich zu den anderen Wertminderungsverfahren lassen sich neben der Minderung des Bodenwertes die Höhe der zu erwartenden Mietminderungen bestimmen. Diese dienen einer Bestimmung des Verkehrswertes belasteter Liegenschaften. Dabei werden die drei Einflussgrößen Restnutzungsdauer, Liegenschaftszinssatz und Bodenrichtwert mehrfach verändert und somit das Verhältnis des Ertragswertes zu den einzelnen Größen dargestellt. Dabei gilt als einzig relevante Änderungsgröße innerhalb der Formel die Entfernung der Gebäudevorderwand zur Straßengrenze (E). Je näher sich ein Gebäude an einer Straße befindet, desto größer sind die Rohertragsminderung (RoEMinderung) und infolgedessen die Abschläge vom Ertragswert.
Ausgehend von einer zunehmenden Restnutzungsdauer der Gebäude steigen auch die Abschläge, die Steigungen der Kurven der einzelnen Liegenschaften flachen jedoch ab und laufen gegen einen Grenzwert von 12,03 Prozent für Mehrfamilienhäuser bis 13,07 Prozent für Wohnungen. Auch bei Veränderungen des Liegenschaftszinssatzes steigen die Kurven der Abschläge mit Zunahme der Einflussgröße, allerdings nicht mit einer vergleichbar großen Änderungsrate wie bei der Restnutzungsdauer. So verläuft beispielsweise die Kurve der Mehrfamilienhäuser in einem Bereich von 11,20 Prozent (bei 1 % Liegenschaftszinssatz) bis 12,06 Prozent (bei 7,5 % Liegenschaftszinssatz), verglichen mit der Restnutzungsdauerkurve (9,95% bei 20 Jahren bis 12,03 % bei 80 Jahren) also eine deutlich geringere Steigung. Bei zunehmenden Bodenrichtwerten fallen die Kurven, jedoch mit kaum wahrnehmbarer negativer Steigung.
Aus den Modellrechnungen der vorliegenden Studie ist zu entnehmen, dass Abschläge des Liegenschaftszinses und des Bodenrichtwertes homogen sind. Änderungen der beiden Größen haben geringere Auswirkungen auf die Höhe der Abschläge. Eine große Dynamik der Abschläge ist bei der Restnutzungsdauer festzustellen. Verglichen mit dem Liegenschaftszins (1,56%) und dem Bodenrichtwert (1,15%) unterscheidet sich die Bandbreite der Restnutzungsdauer um mehr als das Doppelte. So liegt das Niveau der Abschläge der Restnutzungsdauer bei einer Bandbreite von bis zu 3,94 Prozent. Auffällig hierbei ist jedoch, dass die Kurven der Abschläge fast durchgängig zwischen 10 und 13 Prozent liegen. Derartige Berechnungen sind in der Praxis gegebenenfalls nicht verhältnismäßig. Gäbe es bei der Berechnung des Ertragswertes weitere Faktoren zu berücksichtigen, würden mit steigender Komplexität und eventuellen Überlappungen von Abschlagsgrößen Ungenauigkeiten in den Ergebnissen entstehen.
Anders verhält sich die hedonische Modellierung zur Bestimmung von Lärmwirkungen. Die wissenschaftliche Diskussion befasst sich wesentlich mit Lärmimmissionen durch Straßenverkehr und Fluglärm. Jenseits der gängigen Bewertungsverfahren wird in der Literatur oft mit hedonischen Regressionsmodellen gearbeitet, aus denen die Wertrelevanz von Objekteigenschaften nicht auf Basis externer Kriterien wie juristischen oder medizinischen Festsetzungen bestimmt wird, sondern anhand von Marktdaten mittels statistischer Schätzmethodik bestimmt wird. Es entsteht also eine marktnähere aktuellere Quantifizierung wertrelevanter Effekte von Objekteigenschaften.
Wird zur Wertermittlung von belasteten Liegenschaften eine hedonische Modellierung genutzt, verhalten sich die Abschläge nahezu linear. Während Abschläge aufgrund von Straßen-, Schienen- oder Fluglärm bei einer Pegelüberschreitung von 25 dB(A) eine geringfügige Wertminderung von 2,71% bis 5,59% ausmachen, mindert die Lage an einer Schnellstraße (mindestens zwei Spuren pro Fahrtrichtung) den Wert einer Liegenschaft erheblich (um knapp 71 Prozent).
Weitere Analysen zielen auf die Wirkung der verbleibenden physikalischen Eigenschaften von Lärm ab. Dabei wird nicht mehr der Schalldruckpegel untersucht, sondern die Höhe der Töne, die Ton- und Impulshaltigkeit. Ziel ist es, zu verdeutlichen, welche unterschiedlichen Werte dadurch in den Berechnungen entstehen können, um Aussagen über Immobilienwerte zu treffen.
[1] Vgl. Kleiber, W. (2014), S. 786.
[2] Siehe Stege, J. (1990).
Autor:
Prof. Dr. Wölfle, Bernardin Seitz
CRES - Steinbeis-Transfer-Institut
Haus der Akademien
Eisenbahnstraße 56
D-79098 Freiburg
Internet: http://www.steinbeis-cres.de
Ein Unternehmen im Steinbeis-Verbund
Bildquelle: © pixelio.de/matchka
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